es nicht ein viel größeres Risiko, wenn ihr es nicht versucht?«
Piper setzte gerade zu einer Antwort an, als Leo sich im
Schlafzimmer materialisierte.
»Das ging aber schnell«, kommentierte Prue.
»Ein bisschen zu schnell«, ergänzte Phoebe.
Das war nie ein gutes Zeichen.
»Tut mir Leid«, sagte Leo, »aber : sie9 waren sehr interessiert, als
ich von den Wächtern erzählte. Wie es aussieht, helfen Wächter den
Sterblichen, das Böse zu verbreiten.«
»Wissen wir schon«, warf Prue ein, »nächster Punkt.«
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»Wie es aussieht, seid ihr auf eine Verschwörung gestoßen, deren
Ziel es ist, freigelassene Verbrecher mit Wächtern auszustatten. Ein
hochrangiger Dämon arrangiert bei Gericht diese Symbiosen.«
»Das würde auch erklären, wieso Emilio gleich einen zweiten
Wächter hatte«, schlussfolgerte Phoebe.
»Genau«, stimmte Prue zu. »Aber wer ist dieser hochrangige
Dämon?«
Piper mischte sich ein. »Habt ihr nicht gesagt, dass der Verteidiger
verdächtig erschien?«
»Stimmt«, sagte Prue skeptisch, »aber der entscheidet nicht, wann
Verbrecher freigelassen werden.«
»Im Gegensatz zu : Free Willy9 «, warf Phoebe ein.
»Wer ist das?«, wollte Piper wissen.
»Der Richter. Das würde auch erklären, warum er so viele
Angeklagte davonkommen lässt.«
Leo nickte nachdenklich. »Trotzdem können wir schlecht einen
Bannspruch gegen einen Richter aussprechen, bevor wir nicht wissen,
ob er ein Dämon ist.«
Phoebe sah auf ihre Uhr: »Wir müssen uns auf jeden Fall schnell
etwas einfallen lassen. In einer Stunde ist die Anhörung beim
Nachtgericht.«
»Ich glaube, ich habe eine Idee«, verkündete Prue.
Es gehörte zu den Besonderheiten des amerikanischen
Rechtssystems, die Anhörungen auch nachts durchzuführen, um
Verdächtige nicht grundlos auch nur einen Tag lang in eine Zelle zu
sperren. Ein Verteidiger und ein Staatsanwalt mussten dem Richter
ihre Argumente vortragen, auf deren Basis entschieden wurde, ob ein
Bußgeld verhängt, eine Freilassung angeordnet oder ein Verfahren
eröffnet wurde.
Die Gänge des Gerichtsgebäudes waren wie leer gefegt, sogar das
Licht hatte man ein wenig heruntergedreht.
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Die Schritte der Halliwell-Schwestern hallten deutlich über den
Marmor. Leo hatte sich entschlossen, sie zu begleiten.
»Können wir es nicht einfach mit einem Zauberspruch
versuchen?«, fragte Piper halblaut. Nicht jeder sollte hören, worüber
sie sich unterhielten.
»Nein, das könnte nach hinten losgehen«, gab Prue zu bedenken.
»Das könnte es sowieso«, hielt Piper dagegen.
»Wir müssen herausfinden, wer der Dämon ist, der mit den
Verbrechern unter einem Hut steckt.«
»Und weil du mittlerweile die Zeit auch selektiv anhalten kannst«,
erklärte Phoebe weiter, »musst du eben versuchen, nur die
Unschuldigen im Saal erstarren zu lassen.«
»Leicht gesagt«, seufzte Piper. »Schließlich habe ich das noch nie
gemacht.«
»Na und?«, flötete Phoebe. »Ich bin ja auch noch nie geflogen.«
»Wie bitte?«, fragte Piper, die von Phoebes Kunststück in der
Parkgarage noch nichts gehört hatte.
Prue brachte ihre Schwestern wieder auf das Thema zurück:
»Piper, konzentriere dich einfach auf die Unschuldigen, okay?«
»Gut«, stimmte Piper zu. »Und was sollte die Sache mit den
Haaren?«
Phoebe brauchte eine Sekunde, bis ihr klar wurde, dass sie gemeint
war. »Na ja, ich brauchte eine Veränderung.«
Piper nickte. Im Augenblick hätte sie auch eine Veränderung
brauchen können.
Leo schüttelte Kopf. Den Zauberhaften bei ihren Diskussionen
zuzuhören, war schon verwirrend. Sie hielten zusammen wie Pech und
Schwefel, obwohl sie sich ständig zankten.
Schwestern eben.
Alan Sloan war wieder einmal in seinem Element: »Wie oft muss
sich mein Mandant eigentlich noch vom Staatsanwalt belästigen
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lassen, Euer Ehren? So wie ich das sehe, verwandelt sich dieser Fall
mehr und mehr in eine Hexenjagd!«
Cole sah aus dem Augenwinkel, wie die Halliwell-Schwestern und
Pipers Freund Leo in den Gerichtssaal schlichen. Er wandte sich an
Richter Hamilton: »Euer Ehren, ich hätte gerne die Möglichkeit, mich
kurz mit den Zeugen zu beraten.«
Hamilton winkte gelangweilt ab. »Es ist spät, Mr. Turner.
Entweder können Sie etwas Handfestes vorbringen oder nicht.«
Cole streckte sich und glättete seinen Anzug. »Nun gut. Warum hat
mich der Verdächtige angegriffen, wenn alle von mir gegen ihn
erhobenen Vorwürfe falsch sind?«
Ein Kinderspiel für Sloan, dagegenzuhalten: »Euer Ehren, es gibt
ja nicht einmal einen Beweis, dass mein Mandant den Staatsanwalt
angegriffen hat.«
Prue zischte Piper zu: »Jetzt!«
Piper versuchte, sich zu konzentrieren, aber das war gar nicht
einfach. Ihr ging momentan zu viel im Kopf herum.
»Was hatte der Angeklagte dann in der Parkgarage zu suchen?«,
setzte Cole erneut an. »Und warum gibt es zwei Zeuginnen, die & «
»Sie meinen dieselben Zeuginnen wie beim letzten angeblichen
Angriff?«, unterbrach Sloan höhnisch.
»Piper«, knurrte Phoebe drängelnd.
»Ich versuch s ja!«
Piper riss sich zusammen. Ein Gedankenstoß in den Raum, der sich
an allen festkrallte, die reinen Herzens waren &
»Wie ist es möglich, dass die Halliwell-Schwestern jedes Mal am
Ort des Verbrechens auftauchen?«, fuhr Sloan ungerührt fort.
»Noch mal!«, zischte Prue.
Piper atmete tief durch. Das war anstrengender, als sie gedacht
hatte.
»Einspr& «, setzte Cole an, aber in der Bewegung hielt er inne.
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Phoebe warf einen Blick zu Darryl und Leo. Die beiden rührten
ebenfalls keinen Muskel mehr.
Es hatte funktioniert.
Jetzt mussten sie nur noch darauf achten, wer sich trotz des
Zaubers bewegen konnte.
»Einspruch abgelehnt«, verkündete Richter Hamilton.
»Es ist tatsächlich der Richter«, murmelte Prue.
»Ich beantrage, den Fall abzuweisen«, sagte Alan Sloan.
»Und der Verteidiger«, ergänzte Phoebe.
Die Schwestern sahen sich um. Die Protokoll-Chefin, die
Saalhelfer, sogar Emilio Smith sie saßen zwar ruhig auf ihren
Plätzen, aber erstarrt waren sie ganz offensichtlich nicht.
Der gesamte Gerichtssaal war voll mit Dämonen oder mit
Menschen, die mit Dämonen in Verbindung standen!
»Ach, du meine Güte«, keuchte Phoebe.
»Ups«, ergänzte Prue.
Jetzt war auch Richter Hamilton aufgefallen, was vor sich ging. Er
erhob sich von der Richterbank, schlug seinen Hammer auf den
Holzblock und verkündete: »Tötet sie!«
Binnen zwei Sekunden verwandelte sich der Gerichtssaal in ein
Kampfgebiet. Die Gerichtshelfer zogen ihre Waffen und selbst Sloan
angelte sich aus einem gut versteckten Holster unter seinem Jackett
eine großkalibrige Waffe.
»Was machen wir denn jetzt?«, zischte Piper.
Die Entscheidung fiel leicht, als sie sahen, dass Richter Hamiltons
Gesicht sich in eine purpurne Monsterfratze verwandelte. Das war ihr
Dämon!
»Nichts wie raus hier«, presste Prue hervor. In Windeseile
stürmten die Zauberhaften zu einer Tür, die seitlich aus dem Saal
führte.
Keine Flucht ein strategischer Rückzug.
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VOM REGEN IN DIE TRAUFE. So nannte man das wohl. Die
Tür, durch die die Zauberhaften aus dem Gerichtssaal geflüchtet
waren, führte leider nicht nach draußen. Stattdessen fanden sich die
Halliwell-Schwestern in einem kleinen, unordentlichen Büro wieder,
das vermutlich dem Gerichtsschreiber gehörte.
Piper, die als Letzte durch die Tür gehetzt war, schob den Riegel
vor. [ Pobierz całość w formacie PDF ]